PRESSE UND KRITIKEN

Ausschnitt Kritik Volksfeind Theater der Zeit mai 2017

Volksfeind-Kritiken 2017-Theater der Zeit. Ostseezeitung

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SZ Bautzen Marivaux

Auszug kritiken de Paulis

der stein volksstimme

HIOB

RUHRNACHRICHTEN 24.09.2010 Schauspieldrama „Hiob“

Im Gericht mit Gott:

Am Donnerstag hatte „Hiob“ von Joseph Roth in der Fassung von Koen Tachelet Premiere in Münsters Kleinem Haus. Regisseur Hannes Hametner inszeniert die biblische Geschichte als eine unter die Haut gehende Parabel über Wollen und Können, über Entwurzelung in der Heimat und Neufindung in der Fremde – im spannenden Vergleich zwischen jüdisch-russischer und amerikanischer Lebenswelt.        Davidstern zerbricht

Giovanni de Paulis hat eine sechseckige Bühne in Schräglage geschaffen, in deren Mitte sich ein Davidstern befindet.

Die Bühne signalisiert: Mendels Welt ist keine flache Scheibe mehr, sie ist in eine krasse Schräglage geraten. Auch der Stern als letzter religiöser Halt bricht immer wieder ein, meistens durch das Zutun der Menschen.

Minutenlanger Applaus für eine grandiose Inszenierung.

Westfälische Nachrichten „Verzweiflung im fremden Land“

Was Joseph Roth in die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg ansiedelt, verallgemeinert Regisseur Hannes Hametner ins Zeitlose. Da ist der einfache, fromme Hauslehrer Mendel Singer mit seiner Familie. Der jüngste Sohn behindert, die beiden älteren mit sehr eigenem Kopf, die Tochter auf der täglichen Jagd nach Männern. Und Mutter Deborah immer gern mal in Opposition zu den strengen Ansichten ihres Mannes, der die ganze Situation als Prüfung begreift: Leid aushalten, es scheint Gottes Wille, sogar die sexuellen Ausschweifungen der Tochter. Doch Mendel Singer wittert eine Chance, genau diese abzustellen. Auf nach Amerika, wo Sam, der desertierte Sohn, erfolgreich Geschäfte macht. Mutter, Vater, Tochter Singer machen sich auf den Weg – Exodus!Amerika ist schnell, ist laut, ist schrill. So wie die Kostüme von Giovanni de Paulis. Mutter und Tochter in dickem Pelz und behängt mit mächtigen Klunkern. Dem einfachen Hauslehrer geht dieses entwurzelte Leben im vermeintlich gelobten Land bald auf die Nerven. Dann prasseln die sprichwörtlichen Hiobsbotschaften auf ihn ein: Der in der Heimat gebliebene Sohn ist im Krieg gefallen. Daraufhin bricht Deborah zusammen und stirbt, die Tochter wird verrückt. Und Mendel verliert seinen Glauben, vollends. Sein Leben? Sinnlos geworden! Er schaufelt sich sein Grab, bewirft sich mit Asche.

NRW Kulturnachrichten 29.02.12

Brechts „Mutter Courage“ in Münster

Von Anke Schwarze MÜNSTER–

Mit dem Krieg dreht sich das Rad am Wagen der Marketenderin Mutter Courage, mit dem Frieden steht es still. Obwohl dieses Moment etwas plakativ wirkt, wird Brechts Drama in Münster wirkungsvoll in die Gegenwart transportiert. Im Großen Haus der Städtischen Bühnen wächst der Mikrokosmos des Planwagens zur alles beherrschenden Szenerie – in Form eines flach gelegten Rades,dessen Speichen hohe Lagerregale sind, voller Kisten und Fässer mit bekannten Markennamen. „Krieg ist nichts als Geschäft“, heißt es im Lied der Mutter Courage. Umgekehrt hält der Marxist Brecht den Kapitalismus für eine Art von Krieg. Auf diesen Ansatz konzentriert sich die Regie von Hannes Hametner und bezieht die Situation des Dreißigjährigen Krieges auf die moderne Marktwirtschaft. Die Konsumkritik flimmert an dramatischen Wendepunkten als Börsenticker durch dieÜbertitel.Im Neonlicht des kaltherzigen Kapitalismus schlört der Koch sein Fleisch ineiner Kiste von Eurotransplant über die Bühne: Auch Organhandel kann ein schmutziges Geschäft sein. Schlichter akzentuieren die Farben von Bühnenbild und Kostümen, dass eine Trennungvon Krieg und vom Überleben im Krieg unmöglich ist. In den königsblauen undscharlachroten Farben ihrer Waren sondern sich Mutter Courage und ihre Kinder anfangs ab von schwarz gekleideten Soldaten und Offizieren, einem Schmelztiegel aus Kampfanzügen, Anzugjacken und kugelsicheren Westen. Doch die Farben machen die Menschen zur eigenen Ware. Der Krieg holt zum Schluss alle ein. Die Söhne sterben als seine Handlanger in schwarzer Kluft, die Courage und ihre Tochter Kattrin hocken in weißlich-grauen Klamotten vor einer nebelig-dunklen Endzeitstimmung. Das eigentliche Kriegsgeschehen marschiert nur über die grell gefärbte Klavierbegleitung von Antonis Anissegos und das martialisch tackernde Schlagzeug von Jürgen Grözinger. Hagedorns Courage behauptet sich in der Männerdomäne von Krieg und Heer mit männlichem Duktus. Breitbeinig, fest auftretend, begegnet sie Soldaten und Offizieren auf Augenhöhe, röhrt die Brecht‘schen Lieder mit marktschreierisch heiserer Stimme ins Mikrofon. Sie stellt sich jeder Situation. Erst als Soldaten ihren Sohn erschießen, zerfällt ihr Gesicht, erstarrt zur Maske. Dagegen sichert Yvette, die von Carola von Seckendorff gespielte Feldhure, ihr Überleben durch weiblichen Körpereinsatz. Seckendorff agiert gewohnt überzeugend, auch wenn man ihre Interpretation des „Lieds vom Fraternisieren“ mögen muss. Wolf-Dieter Kabler und Johann Schibli liefern sich kontrastreiche Schlagabtäusche als opportunistischfahriger Feldprediger und selbstsicherer Macho-Koch. Marek Sarnowski und Bernhard Glose geben solide ein glückloses Brüderpaar ab. Eindrucksvoll interpretiert Kathrin-Marén Enders die Rolle der stummen Kattrin. Ihre lebendige Pantomime legt die Brutalität des Krieges ebenso bloß wie die fehlende Menschlichkeit der anderen Figuren. Beim abgewandelten Ende darf Enders ihre Stummheit aufgeben und, mit dem Gefangenenchor, aus Brechts Gedichtfassung des Kommunistischen Manifestes zitieren. Dafür lässt Regisseur Hametner sie erschießen –um seinen Schwerpunkt noch einmal deutlich zu machen.

 

Die Herrin der Hochregale : – Kultur – Westfälische Nachrichten 28.02.12

Von Harald Suerland

Münster – „Die Kunst ist kein Schlaraffenland“, schrieb Bertolt Brecht über die herausfordernde Musik Paul Dessaus zu seiner „Mutter Courage“. Hätte er die münstersche Neuinszenierung erleben können, so wäre seine Formulierung wohl noch schärfer ausgefallen. Denn unter der musikalischen Leitung von Antonis Anissegos (am Klavier) geht es in manchen Liedern so schrill oder schräg zu, dass man sich Wundert….

Kein Wunder, dass ein Regisseur Brechts „Chronik aus dem Dreißigjährigen Krieg“ gehörig auffrischen möchte. Nur wie? Zunächst, und das funktioniert bestens, mit einer jugendlich-modernen Heldin. Christiane Hagedorn ist mit Kostüm und Perlenkette eine gewiefte Unternehmerin, die sich nach dem Tod ihres ersten Sohnes dankenswerterweise auch der grellgrünen Strümpfe entledigen darf und die als Herrin der Hochregale in einer großen Lagerhalle agiert (Ausstattung: Giovanni de Paulis).Mit Kodderschnauze und herbem Gesang hat sie ideale Voraussetzungen für ein originelles Rollenporträt – und mit der Yvette der Carola von Seckendorff oder dem Koch von Johann Schibli passend besetzte Pendants.

…unaufhörlich drehen sich die Regale, ….

 DER GUTE TOD Text: Juliane Voigt   2013-04-21

 Es ist vollbracht. “Der gute Tod” war die letzte Premiere dieser Spielzeit am Theater Vorpommern. Das preisgekrönte und äußerst populäre Stück des niederländischen Autors Wannie de Wijn ist berührend und auch schräg und sogar manchmal komisch, wortwitzig. Aber nichts für Feiglinge. Solche, die sagen: Huch, da gehts um Tod! Neenee! Auf der Bühne im Stralsunder Großen Haus ist am Samstag auch gestorben worden. Aber wer auf gutes Theater abfährt, für den war es Droge und reines Glück.

Die Bühne von Giovanni die Paulis ist von großer Eindeutigkeit und Klarheit. Eine auf- oder leergeräumte Wohnung. Es regnet unaufhörlich, Tropfen explodieren auf der Tischtennisplatte hinter den großen Fenstern. Regisseur Hannes Hametner hat mit diesem schweren Klotz von Thema eine ganz fantastische Ensembleleistung gesetzt. Das Spiel ist so authentisch, dass man sich einer eigentümlichen Sog-Dynamik gar nicht mehr entziehen kann. Regnet es wirklich? Man nimmt betroffen Anteil an einer aktiven Sterbehilfe. Hat denn jemand gefragt, ob man zusehen möchte, wie Marco Bahr stirbt? Achnein, das ist ja Ben. Und wie auch immer, es ist überwältigend traurig. Und wenn man wach wird, ein überwältigend guter Theaterabend.

 NEUES DEUTSCHLAND 7.5.2013

Hannes Hametner inszenierte das derzeitige Erfolgswerk auf deutschen Bühnen am Theater Vorpommern, im Großen Haus in Stralsund. Giovanni de Paulis baute Versatzstücke kalter wohlhabender Wohnmoderne, ganz hinten ein hoher Baum. Wie Arkadien, aber auch nur ein Abstraktum – wie jeder zu späte Vorsatz vom endlich schönen, freien, stresslosen Leben. Regen plätschert seine obligaten Takte Melancholie.

Fleischervorstadt-blog:

Wer am Samstagabend nicht zu denen zählte, die sich dem historischen Sportereignis widmeten, sondern sich ins Theater Vorpommern begab, konnte etwas ähnlich Seltenes, weil selten Gewordenes, erleben: Nämlich, dass Theater im Stande sein kann, zu berühren und zu packen. Grund für dieses Erlebnis war die Premiere von Wannie de Wijns Stück „Der gute Tod“, inszeniert von Hannes Hametner. Hametners Inszenierung glänzt durch eine einfache, wenngleich in der letzten Spielzeit selten vorhanden gewesene Tatsache: Es passt alles zueinander, von der wunderbaren Besetzung über das Bühnenbild (Bühne/Kostüme: Giovanni de Paulis), der Wohnung mit Blick in den Garten inklusive Tischtennisplatte als Zeichen für das Leben, der Zypresse als Zeichen für den Tod. Dazu kommt eine Regenanlage, welche die Stimmung des Stückes – oder vielmehr dessen Ausgang – konstant verdeutlicht.

 

Wegschliessen und zwar für immer Hessische/Niedersächsische Allgemeine

Göttingen. Acht trostlose Quadratmeter. Eine Tür, ein Klo, ein Bett. Darauf sitzt Rudi. Mit tiefer, resignierter Stimme erzählt er, dass er sieben Frauen vergewaltigt hat. Eine Studentin hatte er mehrere Stunden in seiner Gewalt. Und doch, am Ende des Abends im voll besetzten Studio des Deutschen Theaters in Göttingen, entwickelt man Mitgefühl für diesen Mann. „Wegschließen und zwar für immer“, das am Donnerstagabend Premiere feierte, wirft einen Blick hinter die Mauern der deutschen Sicherungsverwahrung. Insgesamt sind es 16 Rollen, zwischen denen Imme Beccard, Sibille Helfenberger, Thomas B. Hoffmann und Meinolf Steiner wechseln. Jogginghose übergestreift, Hemd ausgezogen, und schon wird aus dem Justizvollzugbeamten ein Sicherungsverwahrter. Ebenso einfach wie effektiv ist auch das Bühnenbild von Giovanni de Paulis. Eine Tür, ein paar Möbel. Genauso spartanisch wie es in einer Gefängniszelle eben aussieht. Klebeband markiert die Umrisse der Zimmer und gibt zusätzlich einen Eindruck, wie so ein Gefangener lebt.

Großes Lob hat der Ausstatter verdient. Giovanni de Paulis lässt die Schauspieler mit Klebeband eine Musterzelle abzirkeln. Das Gefühl von Enge und Beklemmung wird nachvollziehbar, obwohl keine Stellwände eingesetzt werden. GÖTTINGER TAGEBLATT

 

akt. Die kölner theaterzeitung

IN DAS GELOBTE LAND ENTWISCHEN

Schön unterstreicht ein Aquarium mit einer Miniatur-Akropolis(Bühnenbild: Giovanni de Paulis) darin das scheinbar von der Welt abgetrennte Europa. Man guckt als Flüchtling von außen herein. Sehr wirkungsvoll ist die 22 Meter lange Spielfläche in der neu eröffneten Kellerbühne des FWT. Schon im Anfangsbild spielen die Schauspieler das Eindringen über einen Zaun hinweg in die EU und nutzen dabei die volle Länge, versuchen auch immer wieder, durch die Einlasstüren in das gelobte Land zu entwischen. Auch stellt sich ein direkter Kontakt zum Publikum ein. Man verschwindet nicht als Person in den hintersten Reihen, ist schlichtweg nah dran und damit involviert. Auf drei Monitoren ist das Bild von Live-Kameras zu sehen. Das hinterfragt nochmals die eigene, einseitige Zuschauerperspektive. Auch Mikrofone unterstreichen die Distanz mancher Interviewpartner, wenn etwa offizielle Statements von Politiker und Diskursführern zitiert werden.

Bühnenbild und Kostüm